Im unterirdischem Rohrvortriebverfahren wurden 370 Stahlbetonvortriebsrohre von BERDING BETON für ein ökologisch-nachhaltiges Kanalsystem eingebaut.
Im Ittertal der Stadt Solingen hat vor kurzem eine aufwendige Baumaßnahme ihren Abschluss gefunden: Nach mehr als dreijähriger Bauzeit wurden Anfang 2022 der neue Stauraumkanal Ittertal und der neue Sammler Bavert im Rohrvortriebsverfahren fertiggestellt. Der bisherige Abwasserkanal aus dem Jahr 1952 war sanierungsbedürftig und bei stärkerem Regenfall schnell hydraulisch überlastet, so dass er ersetzt werden musste ebenso wie der entlang des Baverter Bacher verlaufende Sammler. In Solingen wird ein Mischwassersystem genutzt, das Regen- und Schmutzwasser über ein gemeinsames Rohrsystem ableitet, wobei das Regenwasser den größeren Anteil ausmacht. Um Engpässe bei der Bewältigung großer Regenmassen zu vermeiden, gibt es im gesamten Solinger Kanalnetz rund 50 Regenentlastungen in die nahe gelegenen Gewässer. Regenüberlauf- und Regenrückhaltebecken an diesen Stellen sorgen dafür, die stoffliche und hydraulische Last für die Gewässer wie Itterbach und Baverter Bach zu verringern.
Bei der Konzeption dieses Großprojekts galt es somit unter anderem auch die Anforderungen an die Reinhaltung des Wassers zu berücksichtigen. So schreiben die neuen europäischen Wasserrahmenrichtlinien vor, dass offene Gewässer grundsätzlich in einen ökologisch guten Zustand gebracht werden müssen. Dank eines wesentlich größeren Durchmessers des neuen Kanals von 2,40 Metern kann in Zukunft wesentlich mehr Regenwasser aufgenommen werden, was vor allem die Itter entlastet. Der bisherige Kanaldurchmesser lag bei 80 Zentimetern. Der neue Stauraumkanal leitet das Abwasser direkt zu einem Klärwerk, das durch das erhöhte Fassungsvermögen des Kanals nicht mehr überlastet wird. Ebenso ist weder ein teurer Ausbau der vorhandenen Regenrückhaltebecken und Entlastungsbauwerke noch ein Neubau mitten in der grünen Landschaft notwendig. Mithilfe des neuen Stauraumkanals sollen die Wasserqualität und Sauberkeit der Itter sowie des Baverter Baches nachhaltig verbessert werden.
Das Großprojekt „Stauraumkanal Ittertal und Sammler Bavert“ wurde gemeinschaftlich vom Bergisch-Rheinischen Wasserverband (BRW) und den Technischen Betrieben Solingen (TBS) als Bauherren in effektiver Zusammenarbeit geplant und realisiert. Die Projekt- und Bauleitung oblag dem Diplom-Ingenieur Stefan Grotzki der TBS.
Entstehung des neuen Staukanals im Vortriebsverfahren
Sowohl der Staukanal Ittertal als auch der Sammler Bavert wurden im unterirdischen Rohrvortriebsverfahren hergestellt. Dieses Verfahren spart nicht nur Kosten, sondern bedeutet außerdem den geringsten Eingriff in die ökologisch sensible Talaue. Die Startgrube mit einem Innendurchmesser von 12 Metern lag in 45 Metern Tiefe und diente für beide Baumaßnahmen als Ausgangspunkt. Als Vortriebsmaschine diente eine 90 Tonnen schwere Hightech-Vortriebsmaschine der Fachfirma Herrenknecht. Die Steuerung des Bohrers erfolgte komplett digital.
Mit der Bauausführung wurde die Braumann Spezialtiefbau GmbH beauftragt, die mit der Bauunternehmung August Dohrmann GmbH aus Remscheid eine Arbeitsgemeinschaft bildete. Bei beiden handelt es sich um erfahrene und leistungsstarke Firmen, was dem Projekt zugutekam und für reibungslose Arbeitsabläufe sorgte. Der Vortrieb lief sieben Tage die Woche.
Lieferant für die Stahlbetonvortriebsrohre war die Firma BERDING BETON. Das Unternehmen profitiert von seiner jahrzehntelangen Erfahrung im Bereich der Stahlbetonvortriebsrohre und zeichnet sich durch seine Marktführerschaft als Rohrlieferant aus. Zur Kernkompetenz gehören vor allem die maßgeschneiderten Produkt-Lösungen. Auch bei diesem komplexen Großprojekt wurden die einzubauenden Vortriebsrohre individuell nach den vorgegebenen technischen Vorschriften sowie den kundenspezifischen Wünschen bezüglich Abmessungen und Gewicht gefertigt.
Zu den spezifischen Vorgaben der Stadtwerke Solingen gehörte beispielsweise, dass ausschließlich schalungserhärtete Rohre aus säurewiderstandsfähigem Beton hergestellt werden, die den hohen Qualitätsansprüchen an das vorgesehene Bauwerk entsprechen. Die Umsetzung dieser fachlich anspruchsvollen Vorgabe und die Sicherstellung der Qualität wurde von dem unabhängigen Institut „KIWA Berlin“ überprüft. So wurde die Rezeptur getestet und in einem Bericht die Eignung bestätigt. Zu den Vorteilen der schalungserhärteten BERDING BETON Vortriebsrohre zählt, dass sie aufgrund ihrer hohe Maßgenauigkeit und glatten Oberfläche beim Vortrieb eine geringe Mantelreibung gewährleisten. Robustheit und Langlebigkeit sind weitere Vorzüge. Vortriebsrohre von BERDING BETON haben eine Nutzungsdauer von 80 bis 100 Jahren. Für die Herstellung des Ittersammlers fertigte BERDING BETON in seinem Rohrwerk Schermbeck 214 kreisrunde Stahlbeton-Vortriebsrohre mit Vortriebsmuffe und neun Dehner. Die Rohre weisen einen Innendurchmesser von 2,40 Meter, einen Außendurchmesser von 3,10 Meter und eine Baulänge von je vier Metern auf. Das Einzelgewicht eines Stahlbetonrohrs liegt bei 30 Tonnen.
Nach Einrichtung der ersten Haltung arbeitete sich die Vortriebsmaschine im unterirdischen Stahlvortrieb für den neuen Stauraumkanal zunächst auf einer Strecke von etwa 840 Metern durch das Erdreich. Hierbei waren gleich mehrere Herausforderungen zu meistern: Zum einen waren die Arbeitsbedingungen in zum Teil über 40 Meter Tiefe und einem äußeren Wasserdruck von bis zu 3 bar extrem. Bei der Streckenführung musste sowohl die sichere Unterfahrung des Baverter Baches als auch einer Strecke der Deutschen Bundesbahn berücksichtigt werden. Zum anderen erforderte die sehr anspruchsvolle Geologie im Bergischen Land besondere Anstrengungen. So galt es den Vortrieb durch das Felsgestein des Solinger Ittertals zu lenken, das aus einer Wechsellagerung aus Ton- und Sandstein besteht sowie stellenweise eingelagerte Schluffsteine aufweist.
Nach Erreichen der ersten Zielbaugrube, erfolgte der zweite Vortrieb. Dafür wurde die Vortriebsmaschine zur Startgrube zurückgebracht, um als Nächstes die Stahlbetonrohre auf einer Strecke von rund 1.020 Metern vorzupressen. Im unterirdischen Bohrvortrieb entstand so auf einer Gesamtstrecke von 1.860 Metern der Stauraumkanal Ittertal. Mit seinem Rückhaltevolumen von ca. 8.500 Kubikmetern kann er nach Starkregenereignissen Wasser aufstauen und dient als zentrale Regenwasserbehandlungsanlage mit Weiterleitung zur Kläranlage Ohligs. Die alten Abwasserkanäle und Regenüberlaufbauwerke werden nach Inbetriebnahme stillgelegt.
Nach dem erfolgreichen Abschluss der Vortriebsarbeiten für den Itterkanal kam die Startgrube zum dritten Mal zum Einsatz. Diesmal mit einer etwas kleineren Vortriebsmaschine, mit der der unterirdische Tunnelvortrieb zur Herstellung des Sammlers Bavert erfolgte. Auf einer Strecke von 625 Metern wurden 156 BERDING BETON Stahlbetonvortriebsrohre inklusive vier Dehner vorgetrieben. Die Rohre weisen einen Innendurchmesser von 1,6 Metern und einen Außendurchmesser von 2,16 Metern auf sowie ein Gewicht von zirka 16,5 Tonnen pro Rohr. Bei dieser Etappe mussten Raumkurven mit Radien von 850 Meter durchfahren werden. Der Sammler wurde nach erfolgreicher Herstellung dem neuen Staukanal Ittertal angeschlossen.
Die Realisierung der drei Vortriebe aus einer Startgrube stellt eine Besonderheit bei der Umsetzung dieses Großprojektes dar. Trotz der bereits erwähnten geologischen Herausforderungen und den Arbeitskonditionen in extremer Tiefe ist es umso beachtlicher, dass die Vortriebsarbeiten kontinuierlich betrieben und der Zeit- und Kostenplan eingehalten werden konnte. Denn die unberechenbaren Wechsellagerungen führten dazu, dass die täglichen Leistungsdaten stark schwankten. Aufgrund begrenzter Lagerkapazitäten und Vorgaben der Genehmigungsbehörden (wie einem sonntäglichem Lieferverbot) war eine Just-in-time-Lieferung notwendig. Über eine Standleitung erfolgte zuverlässig die ständige Kommunikation mit der Baustelle – bei Tag und Nacht und es wurden alle logistischen Aufgaben mit Bravour gelöst.
„Dieses Projekt konnte vor allem aufgrund der hohen Leistungsfähigkeit, Erfahrung und Expertise aller Beteiligten erfolgreich umgesetzt werden“, ist sich Projekt- und Bauleiter Diplom-Ingenieur Stefan Grotzki von den Technischen Betrieben Solingen sicher. „Es haben alle sehr gut zusammengearbeitet – die Planer, Bauherren, Bauunternehmer und Rohrlieferanten. Dank einer guten Kommunikation waren alle stets auf dem aktuellen Stand und man hat sich untereinander abgestimmt.“ Als Nachfolgemaßnahme läuft seit Anfang 2022 der Bau des Sammlers Untere Itter, der ebenfalls im unterirdischen Rohrvortrieb entsteht und an den Ittersammler später angeschlossen werden soll. Die Inbetriebnahme ist für Mitte 2024 geplant.